Wer hätte nach der alle Rekorde brechenden Hautnah-Tournee geglaubt, daß sich Udo Jürgens noch steigern könnte? Tatsächlich aber kann Udo nach den ersten 80 "Deinetwegen"-Konzerten beneidenswert
zufrieden sein. Nicht etwa weil er mehr Konzerte oder weil noch mehr Zuschauer in die Hallen gekommen wären. Nein, sondern weil mit Udo '87 ein Künstler auf die Bühne gestiegen ist, der endgültig
alle Fesseln der ihn einengenden Clichés und Vorurteile gesprengt hat. Udo Jürgens ist nicht mehr in erster Linie Entertainer, Musiker, Komponist und schon gar nicht Schlagersänger, sondern ganz
einfach Udo Jürgens. Er schert sich wenig um das Risiko, die altbewährten Pfade zu verlassen, auf Erfolgsrezepte zu verzichten. Er macht Musik in der Art, wie er sie zur Zeit mag, singt Texte,
deren Inhalt ihn hier und heute bewegen. Das Resultat: Ein ergriffenes und begeistertes Publikum und durch's Band weg hervorragende Presse-Kritiken; manche Blätter titelten gar "Der beste Udo den
es je gab!". Selbst wenn dieser Superlativ zuträfe, er beschriebene nur die Zwischenstation einer künstlerischen Laufbahn, die noch lange nicht abgeschlossen sein dürfte. Und gerade weil Udo sich
noch immer weiterentwickelt, noch immer neue Wege sucht, kann er nicht auf ewig an den selbstgesetzten Maßstäben gemessen werden. In seinen Konzerten zeigt der Komponist unzähliger Hits und
Evergreens auf, wie komplex seine Klanggebilde sein können. Aber auch, wie zeitgemäß und modern seine "alten" Lieder, im aktuellen Sound gespielt, eben sind. Überraschend zuweilen, wie Udo die
Konzert-Arrangements anlegt. Sein Spektrum umfasst mehr Stilrichtungen denn je, die Dramaturgie ist ausgeklügelt und reißt mit. Fas scheint, es daß sich der "Komponist" in Udo zusehends mehr
durchsetzt, seine Experimente und Erfahrungen nicht zuletzt auch mit klassischen Orchestern, die Live-Auftritte immer mehr beeinflussen. Und der leidenschaftliche Live-Interpret leistet sich im
Playback-Zeitalter den Luxus eines 16-köpfigen Begleitorchesters. Schließlich, so sein Credo, haben die Zuschauer das Anrecht, für ihre Mark eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten.
Die aktuelle Doppel-LP wurde anläßlich der diesjährigen Frühjahrs-Tournee "Deinetwegen" von Otto Rüssl-Mobile in Hamburg auf 32 digitale Spuren aufgezeichnet. Förmlich spürbar sind die Lacher des
Publikums, wenn Udo den Clown mimt. Spürbar sind aber auch die Emotionen der Zuschauer, bei den leisen Titeln rund um das ewige Thema Zweisamkeit. Heiterkeit wechselt oft schnell mit echter
Betroffenheit, wenn der gereifte Liederjan ohne Vorwarnung aber subtil Probleme unserer Zeit anspricht. Die gelungene Zusammenstellung aus dem Konzert-Repertoire - vorwiegend Lieder der beiden
letzten Alben "Treibjagd" und "Deinetwegen" - geht unter die Haut. Alles in allem gesehen ein bemerkenswertes Live-Album einer der weniger profilierten Protagonisten der deutschen
Unterhaltungsmusik. Mit dabei ein absolut perfektes Pepe Lienhard Orchester; "Overdubs" waren selbstredenderweise keine nötig! Auf einen Satz reduziert ließe sich über Udos jüngstes Werk
folgendes sagen: "Ein historisches Dokument einer außergewöhnlichen Tournee!".