Der ganz normale Wahnsinn

 

Drei Jahre nach seiner letzten, mit Gold ausgezeichneten CD „Einfach ich“, meldet sich Udo Jürgens mit einem neuen Studioalbum zurück: „Der ganz normale Wahnsinn“. Es beinhaltet neben 13 brandneuen Jürgens-Kompositionen eine Neuaufnahme des 67er-Titels „Mein erster Weg“ und ist ein flammendes Statement des Vollblutmusikers für die handgemachte Musik. So hat er - neben seinen Studiomusikern - das „Philharmonic Studio Orchestra Berlin“ und das „Film Orchester Babelsberg“ in den Aufnahmeraum gebeten, um die von ihm so geliebte große musikalische Geste zu zelebrieren. Das Ergebnis ist ein farbenfrohes Meisterwerk, das mit reicher Instrumentierung besticht. Natürlich ist da, wo Udo Jürgens draufsteht, auch Udo Jürgens drin. Aber neben den typischen Liedern und Balladen mit aufwändigen Arrangements lassen neue, ungewohnte Töne und jazzige Zitate aus den Anfängen seiner Karriere aufhorchen. „Der ganz normale Wahnsinn“ ist ein sehr stimmungsvolles Album, das die poetischen Texte mit hohem musikalischen Anspruch intoniert und mit einer Prise witziger Satire in bester Udo Jürgens - Tradition gekonnt abrundet. Nach all den Jahren im unberechenbaren Unterhaltungsgeschäft scheint Udo mit sich im Reinen und angekommen: „Ich lasse heute die Dinge ohne Absicht, spontan und ohne inneren Zwang entstehen. Deshalb bin ich wohl auch eine Spur authentischer geworden. Früher war ich sicherlich noch mehr Taktiker, heute höre ich viel mehr in mich hinein.“ Aber was Udo Jürgens wirklich umtreibt ist und bleibt die geliebte Arbeit am Klavier und auf der Bühne. Deshalb kann und will er sich auch in nächster Zukunft keinen anderen Lebensinhalt vorstellen. Eine Arbeit, die sein musikalisches Schaffen jeden Tag mit neuen Einflüssen prägt. So haben auf dem Album - neben den aus seinen Tourneen bestbekannten Big Band - Sounds - auch die Arbeit mit dem Arrangeur seines Erfolgsmusicals „Ich war noch niemals in New York“, Michael Reed, unüberhörbare Spuren hinterlassen. Udo: „Es war für mich wieder ein sehr schönes Gefühl, mit über 100 Musikern arbeiten zu können. Die vielen Diskussionen und Erfahrungen mit den jungen Berufskollegen waren für mich ein einmaliges Erlebnis.“ Obwohl Udo Jürgens sich immer wieder auf Neues einlässt, hat er keine Lust, Bewährtes zu verändern. Deshalb ist auch das neueste Werk im Berliner Hansa Studio seines Co-Produzenten Peter Wagner entstanden. Es ist ihm über die vielen Jahre hinweg, in denen er dort seine Alben produziert hat, zu einem Stück Heimat geworden. Genau so wie der deutsche Kulturkreis und seine Szene, für die er immer wieder gerne eine Lanze bricht: „Ich lasse mich musikalisch gerne in New York inspirieren, aber ich mache trotzdem deutsche Lieder, denn meine Gefühle und Gedanken bewegen sich nun mal in meiner Muttersprache. Die Studioarbeit hat mich sehr beeindruckt, denn dieses große Projekt hat viele junge, gut ausgebildete Musiker involviert, was zu einer hohen Qualität geführt hat.“
Im Titelsong „Der ganz normale Wahnsinn“, der manchen Fans bereits seit der letztjährigen Sommer-Solotournee bekannt sein dürfte, besingt Udo den ganz normalen Wahnsinn, der unseren Alltag beherrscht. Ein nachdenklicher Udo: „Wir bewundern die Schönheit der Welt, aber der Drang zu vieler Menschen nach persönlicher Freiheit wird ein ökologisches Erdbeben auslösen. Deshalb ist das grüne Gedankengut sehr wichtig für die Zukunft unseres Planeten. Es sollte aber auf dem gesunden Menschenverstand und nicht auf extremen politischen Dogmen gründen.“ Ein weiteres aktuelles Thema spricht Udo in „Du bist durchschaut“ an. Dabei sieht er das Internet („mit Kameras, die in jeden Garten schauen“) durchaus auch als Garant gegen die Zensur: „Das Internet schafft nicht nur eine unbewusste Kontrolle der Welt, sondern auch eine Plattform für Freidenker jenseits von Politik und Religion.“ Einer der außergewöhnlichen Titel auf dem Album ist „Alles ist so easy“ – sein satirischer Protest gegen die „denglische“ Banalisierung der deutschen Sprache und ein Plädoyer für die Muttersprache der Dichter und Denker: „Einer Sprache mit Ecken und Kanten, in der man sich mit der Präzision eines Slalomfahrers ausdrücken kann, der sich elegant um die Stangen schlängelt.“ Der Titel „Die Frau, die ich nie traf“ zeigt den Sänger als stillen Beobachter der Umarmung liebender Menschen und ist Udos Fanal gegen den allgegenwärtigen Hass. Weitere Anspieltipps: Das jazzige „Schenk mir einen Traum“, „Lass ein wenig Liebe da“ (in bester Santana-Manier), das getragene „Oktoberwind“, welches „die optischen Schönheiten des Indian Summers musikalisch umsetzt“, die guten Wünsche an seinen Enkel und Sohn des Sohnes John „Gute Reise durch das Leben“ sowie der schon erwähnte, leichtfüßige Bossa Nova „Mein erster Weg“.